Radsport
13.12.2012 - Radsportler suchen neue Wege
Kinder müssen früher als bisher leistungsgerecht trainiert werden / Kampf um Talente tobt
Richtig glücklich wirken Manuela Götze (Geschäftsführerin des Sächsischen Radfahrer-Bundes/SRB) und Wolfgang Schoppe (Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer/BDR) nicht, wenn sie über die Zukunft ihrer Sportart in der Region Leipzig nachdenken. Die ganz großen Talente, von denen es einst viele in der früheren Radsport-Hochburg gab, sind derzeit nicht in Sicht. Zumal die aus Brandenburg stammende mehrfache Weltmeisterin Judith Arndt, die lange Zeit die Kohlen aus dem Feuer geholt hatte, vor rund einem Vierteljahr ihre Karriere beendete.
"Erik Mohs war unser letzter richtiger Klassemann", betont Schoppe. Auch die 47-Jährige denkt an diesen Rennfahrer, der immerhin zweimal ein WM-Ticket löste, inzwischen aber die großen Ambitionen aufgegeben hat und ins Amateurlager zum Delitzscher Straßen-Team Univega wechselte. Dabei ist der eigentliche Bahnspezialist erst 26 Jahre alt.
"Halt", ruft Manuela Götze plötzlich und fügt an: "Wir haben Rüdiger Selig vergessen. Der kommt aus Zwenkau und fährt jetzt fürs ProTour-Team Katusha. Das ist ein richtig Guter." Stimmt, aber Selig (23) hat im Januar 2011 Leipzig den Rücken gekehrt, lebt jetzt in Berlin. Und hat in den vergangenen zwei Jahren eine sensationell positive Entwicklung genommen.
Doch die Erinnerung an Seligs Lei-stungsexplosion erfreut Manuela Götze und Wolfgang Schoppe nur kurz. Schon Minuten später erklärt das Duo seine Probleme und Sorgen, wenn es an den hiesigen Radsport denkt. "Wir haben derzeit kein Talent, dass in zwei bis drei Jahren den Sprung in eine der deutschen Nachwuchs-Nationalmannschaften schaffen kann", ist sich Schoppe sicher. Trotzdem gebe es einige entwicklungsfähige Athleten.
Der 71-Jährige nennt Straßenfahrer Felix Groß (15), der fürs sächsische Team RSV Venusberg aktiv ist, das vom Tour-Etappensieger Marcus Burghardt gesponsert wird. Als hoffnungsvoll stuft er gemeinsam mit Manuela Götze auch den Grimmaer Rico Brückner (14), Christian Röbel (11) und Olivia Schoppe (11, beide ACL) sowie die DHfK-Renner Marius Hofmann (10) und Sydney Höfig (15 ) ein. "Das sind alles Sportler, die wir mit gezieltem Training für höhere Aufgaben ins Gespräch bringen möchten", sagt der Insider.
Gleichwohl übt Schoppe Selbstkritik. "Wir haben es in den vergangenen Jahren versäumt, unsere Talente durch gezieltes Training so zu entwickeln, dass sie mit 15 oder 16 Jahren an die Türen der Auswahl-Teams klopfen können. Genau das wollen wir mit unserem neuen Konzept ändern. Spätestens mit zwölf Jahren müssen die Weichen gestellt werden. Da geht der Leistungssport richtig los." Allerdings sei durch das qualitativ hochwertige Training im frühen Alter längst nicht die Garantie für Spitzenfahrer im Erwachsenenbereich gegeben. "Überragende Profis wie Jan Ullrich, Olaf Ludwig und auch unser Erik Mohs hatten schon frühzeitig absolute Spitzenleistungen drauf."
Der BDR-Vize erkennt solche Aktivitäten wie die Gründung des Petra Rossner Girls Team Sachsen im Jahr 2010 hoch an. "Ich wünsche diesen Fahrerinnen alles Gute. Allerdings habe ich Zweifel, dass die Mädels, die bereits zwischen 14 und 16 Jahre alt sind, den ganz großen Sprung schaffen können."
Ein großes Problem ist der Kampf um die Talente gegen andere Sportarten. "Wir müssen noch früher die besten Mädchen und Jungen für uns gewinnen", meint Manuela Götze. Sie verweist auf Rückschläge wie beim Rennen in Dölzig und der Kindernacht auf der Radrennbahn Leipzig. "Bei der Dölziger Veranstaltung waren bis auf den Sieger Arne Uhlig die vier Nächstplatzierten bereits in anderen Sportarten gebunden." Auf der Bahn wurde der Zweck auch verfehlt. "Wir haben uns zwar über 530 Starter gefreut. Doch von den Gesichteten konnten wir nur einen für uns gewinnen." Umso wichtiger sei die Radrennbahn. Schoppe: "Die ist unverzichtbar. Durch sie sind wir der Lage, dem Nachwuchs gefahrlose Trainingseinheiten und Wettkämpfe zu bieten."
Die Doping-Problematik des Radsports spiele bei der Werbung der Talentiertesten keine entscheidende Rolle. Das Interesse der Kinder und Jugendlichen sei vorhanden. Doch viele scheuen die Kosten. "Unsere Vereine können den Kleinen zwar Kinderräder stellen. Aber wenn die jungen Renner ihren Sport weiter betreiben wollen, müssen die Eltern die Räder bezahlen. Und das können viele nicht", nennt Schoppe einen Nachteil des Radsports im Nachwuchsbereich.
Norbert Töpfer
Leipziger Volkszeitung, 13. Dezember 2012